Leben

Die Stille ertragen

Durchatmen, Kraft tanken, die innere Mitte finden: Einige der schönsten Klöster Österreichs bieten Gästen die Möglichkeit der Einkehr auf Zeit.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr

Die Erinnerungen an meine Mädcheninternatszeit im Benediktinerinnen- Kloster Nonnberg, das sich sanft an die Festung Hohensalzburg schmiegt, sind gute. Heute ist das Internat geschlossen, jedoch werden einfache Gästezimmer für Ruhesuchende angeboten. Was ebenfalls in Erinnerung geblieben ist, ist das Gefühl einer unendlichen Ruhe, Gelassenheit und Geborgenheit in der Gemeinschaft. Die altehrwürdigen Gemäuer waren der Ort, an den andere nicht mehr mit hineinkommen konnten. Und viele Dinge, die einem „draußen“ so wichtig vorgekommen sind, waren plötzlich weit weg. Klosterleben hat etwas Mystisches und wunderbar Beruhigendes an sich.

  • Das Museum im Kaisertrakt des Benediktinerstiftes hat ein epochales Paul Troger-Fresko über der Kaiserstiege zu bieten, das im sprichwörtlichen Trogerblau das größte freitragende Treppenhaus Österreichs überwölbt.

Ich gehe ins Kloster

Heute, viele Jahre später, befinde ich mich wieder auf dem Weg zu einem Check-in im Kloster, auf der Suche nach spiritueller Erfahrung, Sinn, Wahrheit oder Antworten auf Lebensfragen. „Ort der Begegnung“ ist im umfangreichen Info-Folder zu lesen oder „Gastfreundschaft hoch über der Wachau“. Die stille Adventzeit des vergangenen Dezembers schien dafür besonders passend zu sein, um dem – vom hl. Altmann, Bischof von Passau – 1083 gegründeten Stift Göttweig bei Krems in Niederösterreich einen Besuch abzustatten. Der Nebel war in diesen Tagen so dicht, dass man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte. Ein perfekter Zeitpunkt also, um ein paar ruhige Tage in der stillen Abgelegenheit eines Klosters zu verbringen. Kloster auf Zeit bedeutet, sich auf den Weg machen, zur Ruhe kommen, Zeit nehmen für sich selbst. Und Gott. Oder einfach nur die Gemeinschaft spüren. Derzeit gehören dem Göttweiger Konvent 40 Mönche an. Pater Pius beschreibt es so: „Man traut sich in diesem Rahmen über Gott zu reden. Gäste, die uns besuchen, erzählen oft, dass der Klosterurlaub für sie wie ein Eintauchen in eine andere Welt ist. Wir Mönche versuchen jedem unserer Besucher zu vermitteln, dass er herzlich willkommen und von Gott geliebt ist.“ Der 42-jährige, aus Göppingen in Baden- Württemberg stammende Pater Pius ist seit 20 Jahren Mönch im Stift Göttweig und als Konventbeauftragter für Tourismus und Kultur, Chefredakteur des „Göttweiger“, Kirchenrektor in der Seelsorge, Kustos der Stiftskirche und für die Organisation von Taufen und Hochzeiten für viele Bereiche verantwortlich. Bereits mit 16 Jahren wusste er, dass er Priester werden wollte: „Es war mir schon immer wichtig, mit Menschen zu tun zu haben und Freude am Glauben zu vermitteln.“ Eines seiner schönsten Erlebnisse hatte er während einer Fachmesse für Bustourismus in Köln: „Wenn mich bei diesen Messen ein Besucher anspricht, ob er mich mal etwas ganz anderes fragen darf, dann weiß ich, dass er noch etwas auf dem Herzen hat. So hat mich einmal ein General- Manager einer renommierten Hotelkette auf diese Weise in ein spirituelles Gespräch verwickelt, so dass unser Messestand unverhofft zum Beichtstuhl wurde.“ Auch Pater Christian, Leiter des Exerzitienhauses in Göttweig, hat seine Berufung als Seelsorger gefunden: „Weil man dort Menschen begegnet, die auf der Suche sind nach sich selbst oder nach Gott. Das macht uns gleich.“ Das schönste Erlebnis für ihn ist immer wieder aufs Neue, wie beeindruckt die Menschen sind, die von sich selbst ein Stück mehr gefunden haben und nach ihrer Zeit im Kloster beschenkt nach Hause gehen. „Manchmal“, erzählt er, „kommen unsere Gäste mit einem ängstlichen oder traurigen Gesicht und verlassen das Kloster strahlend und voller Lebensenergie.“ Der wahre Luxus im Kloster ist die Zeit, die Ordnung, die zur inneren Ordnung führt. Viele kommen im Kloster drauf, dass die Unordnung der Grund für die innere Unruhe ist.

Atempause mit Gleichgesinnten

Das breite Programmspektrum des Stiftes Göttweig bietet Kurse und Wochenenden für Geschiedene und wiederverheiratete Geschiedene, spirituelle Tage für aus der Kirche Ausgetretene, stille Bibeltage, Psalmenwochenenden oder Dialoge für Führungskräfte an. Jene, die gezielt Stille und Einkehr suchen, finden im Exerzitienhaus ganzjährig bei Schweige-, Wander- oder Einzelexerzitien zu sich selbst. Und für Gäste, die ohne ein bestimmtes Kursprogramm abschalten möchten, gibt es das Angebot „Gast im Kloster“ und eine wunderschöne, 120 m2 große Genießersuite. Diese Mischung aus viel freier Zeit und der Möglichkeit, am Chorgebet der Mönche teilzunehmen oder ein Gespräch mit einem Mönch zu führen, bringt Erholung an Leib und Seele. In jedem Fall geht es darum, von den eingeschliffenen Mechanismen des Alltags Abstand zu gewinnen, sich und sein Leben mit anderen Augen zu sehen und in der Folge neu zu gestalten. Und wenn der Urlaub im Kloster greift, dann verlieren die Widrigkeiten des täglichen Lebens auf einmal an Bedeutung. Vielleicht findet man eine Lösung, sie zu vermeiden. Oder man entdeckt, dass man selbst daran nicht so unbeteiligt ist, wie man dachte. „Mit der Seele fotografieren“, nennt Pater Christian zum Beispiel eine Übung, in der man das Schauen lernt. In die Natur hinaus, einem Baum begegnen, eine Amsel beobachten, „das Wahrnehmen per se“. Seit mehr als 900 Jahren beten und arbeiten Mönche auf dem Göttweiger Berg hoch über der Wachau. Und Jahr für Jahr besuchen Gäste aus aller Welt sowie Pilger des österreichischen Jakobsweges das UNESCO-Weltkulturerbe Stift Göttweig. Und sie alle staunen ob der Schönheit und kulturellen Vielfalt dieses besonderen Ortes. Egal, ob Lesung oder Kabarett, Open-Air-Konzerte, Kulinarik oder Orgelklänge, das Stift steht allen offen.

 

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  • Dreimal täglich wird aus der Klosterküche das Essen für die Gäste Rekreation geholt. Frisches Gebäck wird ab fünf Uhr früh vom Bäcker geliefert.
  • Behaglichkeit findet man im Gästekonvent des Stift Göttweig. Etwas einfacher sind die Zimmer im Exerzitienhaus ausgestattet. Für die, die es luxuriös mögen gibt es eine Genießersuite mit 120 m2.
  • Das Museum im Kaisertrakt des Benediktinerstiftes hat ein epochales Paul Troger-Fresko über der Kaiserstiege zu bieten, das im sprichwörtlichen Trogerblau das größte freitragende Treppenhaus Österreichs überwölbt.
  • Beeindruckendes Orgelkonzert von Pater Pius in der Stiftskirche.
  • Pater Pius wusste schon mit 16 Jahren, dass er Priester werden wollte. Im Stift Göttweig hat er seit 20 Jahren sein Zuhause gefunden.