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Manege – bald wieder – frei!

Zirkusromantik im Jahr 2020 – Nostalgie oder Wirklichkeit? Alexander Schneller, Direktor des Zirkus Pikard: „Der Zirkus ist unser Leben. Das ist nicht immer romantisch, aber reizvoll genug, um neun Monate im Jahr im Wagen zu leben. Wir sind Zirkusmenschen bis ins Mark. Das spüren, das lieben die Menschen, die zu uns ins Zelt kommen.“
Jakob Ehrhardt

Der Zirkus Pikard ist der einzige österreichische Zirkus, der Jahr für Jahr durchs Land zieht und mit seinem Familienprogramm Groß und Klein begeistert. Rund 20 Mitbewerber sind gleichzeitig in den wärmeren Monaten unterwegs, aber: „Die kommen aus Deutschland oder aus unseren östlichen Nachbarstaaten – made in Austria können nur wir in Anspruch nehmen!“, betont stolz der Direktor. Österreich heißt bei Pikard ganz konkret Niederösterreich. „Das ist eine bewusste Entscheidung. Hier kennen wir uns aus und die Leute kennen uns. Die Distanzen sind überschaubar, auf manchen Plätzen gastieren wir schon seit Jahrzehnten, und man wäre enttäuscht, würden wir nicht verlässlich wiederkommen!“

Manchmal verhindert „höhere Gewalt“ das Wiederkommen – so in Schwechat. Seit seiner Gründung war der Zirkus Pikard dort Jahr für Jahr zu Gast, ab 2018 wurde ihm seitens der Gemeinde keine Bewilligung mehr erteilt. Die dortige Stadtregierung teilte mit, dass man keine Darbietungen mit Tieren mehr genehmigen würde. Und aus.

„Die Tiere, die bei uns mitspielen, könnten glatt aus einem Haustierzoo stammen“, beschreibt Schneller die Tiernummern, über die die Schwechater Stadtgewaltigen gestolpert sind. „Wir haben Ponys, auf denen die Kinder vor den Vorstellungen auch reiten können. Bei uns treten Hühner auf, Ziegen und ein Esel, die Tiere sind charmante Ergänzungen unseres Programms und keinesfalls in unnatürlicher Weise gedrillt oder überfordert. Wir werden regelmäßig veterinär- medizinisch kontrolliert, lieben unsere Tiere – verglichen mit den Lieferanten der Frühstückseier unserer Kritiker leben unsere Hühner geradezu paradiesisch!“ Zirkus hat nicht überall ein unbeflecktes Image, das bekommen die Leute von Pikard auch im Kontakt mit der Bürokratie zu spüren.

Wo man früher sagte: „Leute, hängt die Wäsche weg, die Zigeuner kommen!“ – so formulierte es der Volksmund, und selbstverständlich weiß der Autor dieser Zeilen ums politisch Unkorrekte dieses Spruchs –, dort spürt man heute noch oft das latente Misstrauen in den Amtsstuben. Und wenn es oft auch schwarze Schafe unter den Mitbewerbern sind, die negativ auffallen, so Schneller, überträgt sich das doch auf das gesamte Genre. „Es wird auch zunehmend schwieriger, gute Plätze zu finden, wenn die Stammplätze verloren gehen. Weil es in der Regel wertvolles Freiland, sprich Bauland, in den Gemeinden ist. Wir brauchen neben der nicht ganz geringen Fläche auch Strom- und Wasseranschluss, die Plätze müssen gut erreichbar sein – einfach so auf der grünen Wiese gibt’s keinen Zirkus, auch wenn das oberflächlich so aussehen mag.“

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