Aktuelles Handwerk Leben

Der Nase nach – die Sprache der Düfte

„Die Sache stinkt mir!“, sagen wir misstrauisch. „Es liegt was in der Luft, ein ganz besond’rer Duft!“, sangen Peter Alexander und viele andere, um eine positive Vorahnung auszudrücken. „Ich konnte als Siebenjähriger Stimmungskrisen bei meinen Eltern buchstäblich riechen, schon drei Tage, bevor sie ausbrachen!“, erinnert sich Yogesh Kumar an seine Kindheit in Bombay.
Jakob Ehrhardt
  • Duftevent beim Branchentalk „Marketing mit allen Sinnen“ in der Wiener Hofburg
  • Der Stoff, aus dem die Düfte sind – handverlesene Zutaten aus aller Welt.
  • Rosenduft – Bestandteil vieler Parfums.

Yogesh lebt seit über zwei Jahrzehnten in Wien als Createur individueller Parfums: „Düfte sind Ausdruck von Persönlichkeit und Charakter!“ Die Basis dafür findet der Autodidakt in den jahrtausendealten Traditionen des Ayurveda. Ein Schal oder ein anderes gern getragenes Kleidungsstück genügt, damit Yogesh einen ganz persönlichen Duft komponieren kann, der im wahrsten Sinn des Wortes unter die Haut geht. Und langsamer verdunstet als ein gewöhnliches Parfum.

„Gerüche begleiten unser Leben vom ersten bis zum letzten Atemzug. Babys erkennen die Mutter am Geruch, lange bevor ihre Augen verlässliche Bilder liefern“, betont der Duftexperte und hat einen Tipp bei der Hand: „Wenn Mütter während der Stillzeit selbst Karotten essen, werden auch die Kinder den ersten Karottenbrei am Geruch erkennen, als positive Identifikation mit dem Geruch der Mutter.“

Was macht einen Geruch zu einem Duft?

Zunächst einmal die Definition – einigen wir uns darauf, dass Gerüche Sinnesreize sind, die über die Riechrezeptoren in der Nasenhöhle aufgenommen und in verschiedenen Regionen des Gehirns zu Wahrnehmungen verarbeitet werden. Düfte, so der allgemeine Sprachgebrauch, werden dann daraus, wenn sie angenehme Empfindungen auslösen.

Der gebürtige Südtiroler Johannes Frasnelli, der in Wien Medizin studiert hat und sich heute an der Universität Québec der Erforschung des Geruchssinns widmet, hat dazu interessante Experimente durchgeführt. Probanden wurden Riechproben eines Duftstoffes verabreicht, und sie wurden aufgefordert, zunächst den Duft von Parmesan zu beschreiben. Die Wortmeldungen waren durchweg positiv und genussorientiert.

 

Danach teilte man ihnen mit, sie sollten sich nun zu einer Geruchsprobe von Erbrochenem äußern. Wie nicht anders zu erwarten, prägten Ekel und Abscheu das Urteil. Die Überraschung war groß, als Frasnelli das Geheimnis lüftete – es war ein und dieselbe Geruchsprobe gewesen, aber das Gehirn der Probanden machte genau den Geruch daraus, der der jeweiligen Erwartungshaltung entsprach.

Ob aus Gerüchen Düfte werden, hängt von vielen Faktoren ab. Für Skandinavier ist Surströmming eine Delikatesse – jener mitteleuropäischen Nasen schwer zumutbare vergorene Hering in Konservendosen, die von der anhaltenden Gärung aufgetrieben und bombiert werden. Hierzulande ein Warnsignal, in Schweden ein Qualitätsmerkmal. In Kanada musste vor Kurzem ein Flugzeug notlanden, weil es in seinem Laderaum eine südostasiatische Spezialität transportierte, die Durian-Frucht. Die einen nennen sie „Königin der Tropenfrüchte“, die anderen kennen sie als Stinkfrucht. Der Transportbehälter im Flieger war undicht geworden, die Aromen zogen in den Passagierraum, an ein Fortsetzen des Flugs war nicht zu denken.

Zurück zu den wohlriechenden Nasenschmeichlern – nicht ohne daran zu erinnern, dass speziell die Basisnoten von gefragten Parfums auf Ingredienzien be- ruhen wie Ambra (unverdaute Reste aus dem Darm von Pottwalen), Moschus (aus dem Drüsensekret einer Ziegenart gewonnen und abstoßend riechend), Zibet oder dem heimischen Bibergeil, das, angemessen verdünnt, Düften eine angenehme Beerennote verleiht und auch Lebensmitteln beigegeben wird.

Die Dosis bringt’s, wie schon Paracelsus wusste. Die Verdünnung macht’s, ob aus dem – pardon! – Gestank ein Wohlgeruch wird. Wie die holzig-trockene Tabaknote bei der Ambra oder die animalische Süße der moschusbasierten Düfte.

Mehr lesen Sie in der neuen VORFREUDE.