Leben Reisen

Zauberreich zwischen den Welten

Claudia Piller-Kornherr

Die Suite Ludmaisch im Erdgeschoß mit dem wundervollen historischen Kreuzgewölbe und dem antiken marokkanischen Spiegel ist einer ihrer Lieblingsplätze im Haus. Was Tina Mooslechner hier gefällt: Die unglaubliche Ruhe und Klarheit des Raums und dass sie bei jedem Blick aus dem Fenster an ihre geliebte Oma denkt, denn die edlen Spitzen, die ihr die Großmama vererbt hat, zieren nun als elegante Vorhänge die Fenster der Suite. „Hier komme ich zur Ruhe“, verrät sie uns. „Das ist mein Seelenluxus.“ Im uralten Ohrensessel, dem sie erst kürzlich „ein neues Kleid übergeworfen hat“ lässt es sich herrlich tragträumen, während der Blick hinausschweift zum „König des idyllischen Innenhofes“, dem riesigen handgemeißelten Sandsteintisch. Im Sommer blüht hier draußen ein Meer von Hyazinthen, Tulpen, Glyzinien und Hortensien, schwärmt TiMiMoo. Und natürlich Rosen – im Überfluss.

Hinter dem Haus liegt ihr verwunschener Paradiesgarten mit einem kleinen Seerosenteich, einem duftenden Kräuterbeet und einer hölzernen Schaukel. Die hat sich Tina Mooslechner gewünscht – „als Kind hatte ich nämlich keine.“ Ein Stück der historischen Ruster Stadtmauer begrenzt den Garten an einer Seite. „Eine märchenhafte Kulisse für die Hochzeiten, die wir hier ausrichten.“ Wie aus einem Märchen steht hier auch ein alter steinerner Brunnen – der Froschkönig lässt grüßen. Tina Mooslechner liebt es, Atmosphäre zu erschaffen, mit Illusionen zu spielen, ihre Gäste zu verzaubern. Es würde uns nicht wundern, wenn sie im nächsten Moment ihren Zauberstab auspackte und über uns Sternenstaub rieseln ließe. Alles hier ist „A Kind of Magic“, gewissermaßen. Kein Zweifel: An einem Ort wie diesem lassen sich bestimmt ganz wunderbar die Plagen des Alltags abschütteln. „Ich glaube, dass viele Menschen heute eine große Sehnsucht haben nach Wärme, nach Ruhe, nach Entschleunigung. Das kann ich ihnen hier geben.“ Und so kam es schon des Öfteren vor, dass sie gestressten Managern, die übers Wochenende zum Erholen ins Bürgerhaus kamen, beim Einchecken das Handy abnahm. „Zuerst war es eine Zwangsmaßnahme, aber mittlerweile geben es manche schon freiwillig her“, schmunzelt sie.

„Es gibt nämlich keine Vorschriften, was schön ist und was nicht.“

Suite Ludmaisch

Vorschriften – gibt es nicht!

In der Vinothek des Hauses schuf sie gemeinsam mit einem befreundeten Maler ein atemberaubendes Deckenfresko, angelehnt an die großen Meister der Renaissance und des Barock. Ein uralter französischer Medaillonstuhl – gekalkt, lasiert und mit neuem Stoff bezogen – lässt einen ungenützten Winkel des Entrees in neuem Glanz erstrahlen. Oben an der Treppe haben ein paar Schneiderpuppen als romantisches Empfangskomitee Aufstellung genommen, kreativ wurden sie mittels alter Nylonstrumpfhosen und edlen Leinens zu Himmelsboten umfunktioniert. Über der Rezeption, die die Chefin persönlich je nach Lust und Laune jedes Jahr umstreicht, thront ein eleganter Luster einer traditionsreichen französischen Manufaktur. Die Lampenschirme aus leuchtendem Muranoglas sind mit handgefädelten Süßwasserperlen verziert. „Das Unternehmen ist leider in Konkurs gegangen, so etwas entspricht wohl nicht mehr dem Zeitgeist“, hören wir sie seufzen. Als grünen Eyecatcher aus dem Garten hat sie einfach einen blühenden Zweig daran gebunden. „Es gibt nämlich keine Vorschriften, was schön ist und was nicht.“

Viele ihrer Hotelgäste seien fasziniert von der Art, wie Gegenstände aus Verlassenschaften, Flohmarktfundstücke und Souvenirs aus aller Herren Länder harmonisch in die Gestaltung ihres Hauses einfließen. So wurden auf der Herrentoilette im ersten Stock handbemalte Fliesen verlegt, wie sie Tina Mooslechner vor Jahren an einem Wasserbrunnen in Lissabon entdeckte und schließlich in einer kleinen portugiesischen Manufaktur für das Bürgerhaus anfertigen ließ. „Einmal hatte ein Gast ein dringendes Bedürfnis“, erzählt TiMiMoo. Als er vom stillen Örtchen zurückkam, hätte er lachend gesagt: „Jetzt muss ich nochmal gehen.“ Er hatte den eigentlichen Zweck des Toilettengangs vergessen, so sehr war er mit der Bewunderung der Fliesen beschäftigt gewesen. „Ein Hausgast, eine ältere Dame, hat mir bei einem Besuch selbst gehäkelte Deckchen mit aufwendigen alten Mustern mitgebracht. Ich habe mich gefühlt, als würde ich einen Goldbarren in Händen halten. Da hat sich jemand hingesetzt, sich etwas überlegt und seine Zeit investiert – das gibt für mich den Dingen ihren Wert. Ihre Handarbeiten haben natürlich Ehrenplätze im Hotel bekommen.“ Nichts finde sie schlimmer, als in einer durchdesignten Wohnung voller Chrom und Glas zu sitzen. Da fehle ihr die Seele. „Am schlimmsten ist es, wenn der Besitzer gleich nach dem Essen mit Glasputzmittel den Tisch putzen kommt.“

„Wer es nicht schafft, Dinge mit Respekt und Wertschätzung zu betrachten, kann das auch mit Menschen nicht“

Lernen bei TiMiMoo

Irgendwann hätten die Gäste angefangen zu fragen, wie sie das denn mache mit dem Aufmöbeln und Dekorieren. „Ich hab´ gemerkt, dass es die Leichtigkeit ist, die die Menschen fasziniert. Und dass sich die Leute dieses Gefühl auch heim in die eigenen vier Wände holen wollen.“ So begann sie, ihre Fertigkeit in Workshops und Kursen zu vermitteln. „Ich versuche, den Leuten beizubringen, alte Dinge mit Liebe zu betrachten, so wie ich das tue. Die Kursteilnehmer staunen, was sie aus einer alten Leiter, einem Fensterrahmen oder einem Spiegel alles machen können. Wir nehmen zum Beispiel einen aus der Mode gekommenen Luster, streichen ihn mit Chalk Paint im Farbton Pure White, an die Lusterarme hängen wir ein paar zart geblümte Espressotassen – und fertig ist das Designerstück. Außer ein wenig Farbe muss man da nicht viel investieren. Es zählt nur, dass man sich traut! Und ist es nicht wundervoll, einem Gegenstand vom Sperrmüll, den niemand mehr braucht, ein neues Leben zu schenken?“

Mit ihrer Arbeit trifft sie den Nerv der Zeit. Mobiliar im Vintage- und Shabby-Chic-Stil ist gerade schwer angesagt. Als Deko-Queen oder Do-it-yourself-Guru will sich Tina Mooslechner dennoch nicht verstanden wissen. Vielmehr geht es ihr um eine Wertigkeit, um Achtsamkeit mit den Dingen. Und die Fähigkeit, aus seiner eigenen Kreativität heraus etwas Neues zu schaffen. Die Wegwerfgesellschaft, wie wir sie heute vorfinden, ist ihr zuwider. Der Upcycling- Gedanke – so nennt man die Aufwertung von scheinbar wertlosem Sperrmüll, inspiriert sie zu ihrer Arbeit. „Wer es nicht schafft, Dinge mit Respekt und Wertschätzung zu betrachten, kann das auch mit Menschen nicht. Ich denke, das hat letztlich auch etwas mit Selbstliebe zu tun. Aber jetzt werde ich philosophisch!“, lacht sie.

Ob sie denn bei all der Arbeit als Hotelchefin, Künstlerin und Hochzeitsplanerin noch Zeit habe, neue Pläne zu schmieden, fragen wir sie. Hat sie – und zwar jede Menge: Im Frühling wird sie Chalk-Paint-Erfinderin Annie Sloan in England besuchen, zum Lernen und gemeinsamen Entwickeln von Gestaltungsideen. Im Bürgerhaus ist gerade eine Reihe von Frühlings-Workshops in Planung. Und weil die TiMiMoo stets nach dem Motto „Think Big!“ lebt, spukt ihr seit einiger Zeit ein Event mit internationalen Upcycling- Künstlern im Kopf herum. Und dann gibt es ja auch noch ihr Privatleben: „Ich hab´ drei Kinder, drei Betriebe, drei Autos und drei Katzen. Gott sei Dank nur einen Mann!“ Schelmisch zwinkert sie uns zu. Und ihre blitzblauen Augen leuchten. „Aber vielleicht mach´ ich auch bald wieder etwas ganz anderes. Wer weiß?“ Wir sind gespannt.

www.hotelbuergerhaus-rust.at

Hier geht es zum ersten Teil der Geschichte: Die fabelhafte Welt der TiMiMoo

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