Betritt man das kleine Gebäude in dem unscheinbaren Hinterhof an der Wiener Währinger Straße Nummer 46 begibt man sich zugleich auch ein in eine andere, eine faszinierende
Welt: Gleich neben dem schmalen Eingang sitzt das weiße, zerzauste Kaninchen aus „Alice im Wunderland“ auf einem Sessel und starrt still vor sich hin. Daneben lehnt Jedermann und neben ihm Gevatter Tod, dicht an dicht mit dem Musikgenie Joseph Haydn. An den Wänden hängen Dutzende weitere Wesen mit großen Köpfen und ebensolchen Augen und Mündern – mehr als 100 sind es, die den Raum und das dahinterliegende Lager bewohnen. Sie alle sind Puppen und ihre Heimat ist das Schubert Theater, Österreichs einziges Figurentheater für Erwachsene.
Herr all dieser Puppen ist Regisseur Simon Meusburger. Früher bei den Bregenzer Festspielen als Regieassistent für Produktionen wie „West Side Story“, „Der Troubadour“ oder „Tosca“ zuständig, ist der heute 45-Jährige seit 2007 Direktor des Schubert Theaters, einst ein Kasperltheater für Kinder und in seinen Anfangsjahren ein Kino. Der Regisseur hatte auf YouTube ein Video mit den Klappmaulpuppen des mittlerweile international bekannten österreichischen Puppenspielers Nikolaus Habjan gesehen – und war von den Figuren so begeistert, dass er sie unbedingt an sein Haus holen wollte. Gleich das erste Stück „Schlag sie tot“ war ein dermaßen großer Erfolg, dass Simon Meusburger und Nikolaus Habjan die Puppen zum Schwerpunkt des Programms machten.
Das Konzept ist bis heute gleich geblieben und eine Mischung aus Schau- und Puppenspiel: Die Puppenspieler werden, anders als beim Marionettentheater, hier nicht versteckt. Sie sind bewusst zu sehen, leihen den Figuren ihre Bewegung und ihre Stimme, treten aber immer auch in den Hintergrund. Schon nach wenigen Minuten scheinen die künstlich geschaffenen Männer, Frauen, Kinder und Fabelwesen so ein Eigenleben zu bekommen und man taucht in ihre oftmals morbid- schwarzhumorigen Welten ein, die durch die intime Atmosphäre des kleinen Theaters mit seinen 80 Sitzplätzen noch verstärkt werden.
„Figurentheater ist in Österreich als Genre an sich unterrepräsentiert. Das ist sehr schade, denn es ist eine faszinierende und unmittelbare Theaterform, die mehr Aufmerksamkeit verdient, denn mit Puppen lässt sich fast alles darstellen, was auch mit dem klassischen Theater möglich ist. Wenn die Menschen einmal hier waren, sind sie auf eine ganz besondere Weise abgeholt und berührt worden. Sie kommen dann in der Folge auch oft wieder – egal ob Schüler, Studenten oder Pensionisten, ob Arbeiter oder Angestellte“, meint Simon Meusburger.
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