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Wir bauen eine Burg

In Friesach wird in einem österreichweit einzigartigen Geschichtslabor eine mittelalterliche Burg gebaut – und Vergangenheit erlebbar gemacht.
Sandra Wobrazek
  • Die Maurer arbeiten mit seit Generationen  überliefertem  Wissen – und mit Materialien, die großteils  aus der Region stammen.
    Die Maurer arbeiten mit seit Generationen überliefertem Wissen – und mit Materialien, die großteils aus der Region stammen.

Es ist eine ursprüngliche Landschaft, die sich südlich der mittelalterlichen Stadt Friesach, der ältesten Stadt Kärntens, erstreckt. Hohe Tannen ragen hier, im nördlichen Kärnten an der Grenze zur Steiermark, in dichten Wäldern gen Himmel. Mittendrin, auf einem der zahlreichen bewaldeten Hügel, gehen hell gekleidete Frauen und Männer auf einer Baustelle ihrer Arbeit nach. Manche von ihnen sägen Holz oder schüren ein Feuer, wieder andere bearbeiten Steine und bereiten Seile vor.
Doch weder vernimmt man hier den so typischen schrillen Baustellenlärm von Kreissägen noch das tiefe Surren von Baggern und Kränen. Spätestens als ein dunkles, stattliches Noriker-Pferd auf einem alten Karren massive Holzstämme hinter sich herzieht, wird klar: Hier handelt es sich um keine gewöhnliche Baustelle.

Alte Handwerkstraditionen

Einer der rund 30 Handwerker, die hier zugange sind, ist Stefan Wenzl. Beinahe täglich begeben sich der Zimmermann und seine Kollegen auf eine Zeitreise zu-rück in die Vergangenheit, denn sie alle sind Teil eines ganz speziellen Projekts: Im Rahmen des Burgbaus Friesach wird über einen Zeitraum von mehreren Jahr-zehnten auf einer Fläche von rund 4000 Quadratmetern eine mittelalterliche Burganlage errichtet. Dabei werden ausschließlich traditionelle mittelalterliche Bautechniken und natürliche Baustoffe wie Holz, Stein und Kalk verwendet, die großteils aus der Region stammen. Schmiede fertigen neue Werkzeuge wie Äxte, Kellen und Nägel an und sind für die Hufeisen der Zugpferde zuständig. Der Steinmetz richtet und behaut Steine für das Mauerwerk, die anschließend vom Steinsetzer in Turm und Gebäude eingemauert werden. Damit dies langfristig hält, liefert der Mörtelmischer Mörtel, der aus Sand, Wasser und Branntkalk gemischt wurde. Die Korbflechterin wiederum stellt Körbe für den Transport sowie Beschattungswände her, während in der Seilerei feste Schnüre und Stricke aus Hanffasern entstehen.

Bauzeit: 40 Jahre

Strom und Maschinen sind auf dieser Baustelle ebenso nicht zu finden wie Uhren, Smartphones oder Taschenrechner, denn das Projekt versteht sich als Geschichtslabor, das auch von Interessierten besucht werden kann. Auf Kurzfristigkeit ist man hier wie auch die Burgbauer aus längst vergangenen Zeiten allerdings nicht ausgelegt: Im Jahr 2009 wurde der erste Stein gesetzt, als Bauzeit sind rund 40 Jahre veranschlagt, wie Projektleiter und Historiker Gerald Krenn betont: „Die Mutter all dieser mittelalterlichen Projekte stammt aus dem französischen Guédelon. Da Friesach eine mittelalterliche Stadt ist, hat es sich auch angeboten, das Projekt hier durchzuführen. Es geht auch um die Belebung des Sommertourismus und um die Schaffung von Arbeitsplätzen in einer durchaus strukturschwächeren Region. Dazu kommt die Tatsache, dass das Mittelalter mit seinen Traditionen und Ritualen bis heute viele Menschen begeistert.“

Mehr lesen Sie in der neuen VORFREUDE.

Kräftige Noriker transportieren innerhalb des Burggeländes Baumaterialien wie Holz oder Steine.
Die Zimmermänner bereiten mit mittelalterlichen Werkzeugen das Holz für Hütten, Aufbauten und Hebekräne auf.
Das Holz für die verschiedenen Bauten wird mit traditionellen Werkzeugen der Zimmermänner bearbeitet.