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Von Marrakesch ins Tal des Glücks

Kraftplatz Marokko: Über prachtvolle Riads, den Zauber der Wüste und ein einzigartiges Schulprojekt, das Kindern im Hohen Atlas neue Perspektiven eröffnet. 
Claudia Piller-Kornherr

Marokko gleicht einer Zimmerflucht, deren Türen sich öffnen, wenn man durch sie hindurchgeht (…) Jede Tür eröffnet einen anderen Ausblick: auf einen Raum, ein Gesicht, eine Stimme, ein Geheimnis“, schreibt Tahar ben Jelloun, marokkanischer Schriftsteller und Psychotherapeut. In Marrakesch, Marokkos pulsierender Metropole, wird sie spürbar, die Essenz des Orients. Beim Eintauchen in das Gassengewirr der Medina und Sich-verschlucken-Lassen von der wundersamen Welt des größten Basars Afrikas – ein prachtvolles Panoptikum opulent dargebotener Waren, duftender Gewürze, Lederwaren, Messinglampen, Teppiche und Menschen in bunten Gewändern, die sich durch das Labyrinth drängen.

Und dann das elektrisierende Schauspiel am großen Djemaa el Fna, dem uralten „Gauklerplatz“, wenn Schlangenbeschwörer, Geschichtenerzähler, Wahrsager und Akrobaten den Platz in eine lebendige Bühne verwandeln, Rauchschwaden von den unzähligen Garküchen die Abendluft einhüllen und es gebratenes Lamm, Couscous, Schneckensuppe, Schafshirn oder den süßen weißen Nougat zu kosten gibt. Seit Jahrtausenden wird hier gehandelt und gefeilscht, wurden Ehen mit Handschlag besiegelt. Wer einen Arzt brauchte, fand ihn am Djemaa el Fna und aus der Wüste kamen Beduinen auf den quirligen Marktplatz, um Kamele zu kaufen oder zu verkaufen. Seit 2001 steht der Gauklerplatz auf der Unesco-Liste der „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“.

Das alte Marrakesch mit seinen prächtigen Moscheen, ehemaligen Karawansereien und Koranschulen entdeckt man am besten nach dem Zwiebelprinzip, Schale für Schale. Von baufälligen, finsteren Gassen und unscheinbaren Türen darf man sich dabei nicht täuschen lassen: Hinter ihnen warten nicht selten die größten Schätze, darunter Hunderte der sogenannten Riads, die im heutigen Marrakesch häufig als Unterkünfte adaptiert werden. Das arabische Wort Riad bedeutet eigentlich „Garten mit Bäumen“ und bezeichnet in Marokko ein traditionelles städtisches Wohnhaus mit begrüntem Innenhof. Beim Übertreten der Schwelle lässt man die Hektik und den Lärm der Stadt hinter sich, denn Riads sind kleine Paradiese und von der Außenwelt völlig abgeschirmt. Höchstens zehn Zimmer haben die meisten von ihnen und ihre vorwiegend europäischen Besitzer – häufig sind es Belgier, Italiener, Franzosen oder Spanier – haben sie mit viel Detailliebe mit edlen Webteppichen, bunt gefliesten Wasserbecken und aufwendigen Gipsstuckaturen gestaltet. Unter duftenden Orangenbäumen lässt sich hier bei einem Thé à la menthe gut mit der Seele baumeln. Mehr in der neuen VORFREUDE.