Urlaub wie damals
Es war dieses ganz besondere Gefühl, das man jeden Sommer hatte, wenn man, eingezwängt neben der Großmutter und Unmengen an Koffern und Taschen, im vollgepferchten Opel Kadett noch vor Sonnenaufgang gen Süden fuhr, um die gefürchteten Staus an der Grenze zu vermeiden. Diese besondere Mischung aus nächtlicher Schlaftrunkenheit, Vorfreude und Aufregung, wenn man ohne Klimaanlage und Navigationsgerät, dafür ausgerüstet mit einem dicken Straßenatlas, einer Thermoskanne mit Kakao und einer Jausenbox voller Wurstsemmeln, der Sonne entgegenreiste und Pause am italienischen „Autogrill“ einlegte. Dort gab es dann für Eltern und Oma den ersten Italo-Espresso und für die Kinder die begehrten italienischen Schoko-Nuss-Pralinen in der silberblauen „Baci“-Verpackung. Die Urlaubsabenteuer der Kinder von einst, sie führten selten in die Ferne, dafür aber an die Badeorte Italiens oder auch in den steirischen Bauernhof, wo man seine Tage mit langen Wanderungen, dem Brocken von Eierschwammerln und saftig-süßen Walderdbeeren und Ponyreiten verbrachte.
Urlaub wie anno dazumal – in Zeiten von weltweiten Krisen, Naturkatastrophen und sozialen Spannungen suchen ihn immer mehr Menschen. Gleich, ob Wohnen in einfachen Frühstückspensionen, Riesenschach am Dorfplatz oder abends in touristischen Fußgängerzonen flanieren – was noch vor einigen Jahren verpönt und belächelt wurde, erlebt plötzlich auch bei Städtern und Jungfamilien ein Revival. Keine stundenlangen Wartezeiten an Flughäfen, kurze Anreisen mit Bahn, Bus oder dem eigenen Auto und Sicherheit sind die hart-nüchternen Fakten, die laut Experten diesen Trend vorantreiben.
Urlaub war schon vor 30 und 40 Jahren die populärste Form von Glück.
Doch was weit mehr zählt, sind emotionale Gründe, wie Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung, weiß. Er sagt, dass dies vor allem die heute 40- bis 50-Jährigen betrifft, die schon weite Teile der Welt gesehen und vieles erlebt haben und jetzt im Urlaub das suchen, was sie als Kind begeistert hat. Die Folge: Sie kehren, oft mit dem Nachwuchs, zu den eigenen Urlausborten zurück, wollen wieder die vertrauen „Bello-coco-coco-bello“-Rufe am Strand vernehmen, von fahrenden Strandhändlern überteuerte Sonnenhüte und Strandtücher erstehen, gegeneinander beim Minigolfspielen antreten und wieder jene für heutige Begriffe ereignislose Zeit spüren, in der die abendlichen Spaghet- ti Bolognese im nahen Ristorante und das anschließende Tartufo di Pizzo vom Süßspeisen-Servierwagen fixer Bestandteil waren. „Urlaub war schon vor 30 und 40 Jahren“, erinnert Peter Zellmann, „die populärste Form von Glück und ist nach Weihnachten die emotional wichtigste Zeit im Jahr. Man freut sich auf ihn, man plant ihn, man berichtet nachher darüber.“
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