Aktuelles Kulinarik Leben

Tierloses Essen?

Es geht eigentlich nur um die Entscheidung: „Was ess’ ich heute?“ Wo Veganer und Karnivoren darüber diskutieren, kann es bisweilen allerdings hässlich werden. Ernährungsexperte Immanuel Kant dazu: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Guter Tipp. Stellen wir also ein ideologiearmes Menü sachbezogener Argumente und Impulse zur Debatte.
Jakob Ehrhardt
  • Grundstock vollwertiger Ernährung: Hülsenfrüchte, frisches Gemüse, Nüsse & Co.

Warum ernähren sich Menschen vegan? Ein namhafter Händler und Hersteller veganer Lebens- mittel hat 2019 eine Umfrage in Auftrag gegeben. 24.000 Befragte zwischen 15 und 64 Jahren gaben ihre Motive für den Verzicht auf tierbezogene Produkte an.
Mit Abstand an der Spitze lag mit 95 Prozent der Tierschutz bzw. das Tierwohl. Gleich an zweiter Stelle rangierten mit knapp 84 Prozent Aspekte von Umwelt und Nachhaltigkeit. 56 Prozent gaben Gesundheitliche Gründe an, der Geschmack motivierte 17 Prozent, sich vegan zu ernähren. Anderes wie Religion oder Interesse am Trend wurde kaum genannt.
Gegenfrage: Warum lehnen Omnivoren (Gemischtköstler) vegane Kost ab? 55 Prozent einer Befragung durch POSpulse (2020) stellten fest, dass tierische Produkte ihnen besser schmecken. 42 Prozent wollen schlicht auf nichts verzichten. 17 Prozent essen Fleisch aus Gesundheitsgründen, und rund 15 Prozent behaupteten, es gäbe keine guten Alternativen. Alternativprodukte seien außerdem zu teuer, stellten 25,5 Prozent fest.

Der Glaubenskrieg auf dem Prüfstand

Was in der sachlichen Gegenüberstellung nach harmloser Info aussieht, erleben die Fans der einen oder anderen Ernährungsweise als hochgradig aufgeheiztes Meinungsklima. Ariane Sommer, Kolumnistin bei der „taz“, berichtet von der „Vegan-Wut der Fleischesser“ in den Online-Kommentaren zu ihren Beiträgen.
Professor Hank Rothgeber von der Universität in Georgetown/USA spricht vom „Meat-Paradox“. Von der kognitiven Dissonanz, die Fleischesser erleben, wenn sie ihre Ernährung und ihre Tierliebe unter einen Hut bringen sollen. Das verursacht Stress, und bewährte Taktiken, sich wieder besser zu fühlen, sind zum einen das Ausblenden von Teilen der Fleisch- und Milchproduktion bzw. das „Green-washing“ von Produkten und Marken und zum anderen das Relativieren des eigenen Konsums – „Ich lebe ja fast schon vegetarisch!“

Dazu kommt, dass Ernährung von Gewohnheit geprägt ist. Der Volksmund weiß: „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht!“ Was von klein auf für Sattheit und Genuss sorgte, prägt das Verhalten. Und es bedarf besonderer Erfahrungen und/oder Einsichten, um die Essgewohnheiten zu ändern.

Mein Mittagessen und die Politik

Supermärkte lügen nicht – der Anteil der Menschen, die aktiv auf Fleisch verzichten, erreicht Größenordnungen, die für Handel und Industrie schon lange keine Peanuts mehr sind. Und auch die Politik kommt zunehmend ins Spiel, wenn es um unser Essen geht – zum Beispiel bei Umweltaspekten der Ernährung. Nach einer Studie der „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“ aus 2016 verursacht die Produktion von ein Kilo-gramm Rindfleisch einen Verbrauch von 3,9 bis 9,4 Kilogramm Getreide (je nach Grünfutteranteil), 15.400 Liter Wasser, 27 bis 49 Quadratmeter Nutzfläche und bringt Emissionen von 22 Kilogramm an Treibhausgasen (vor allem Methan). Beim Getreideverbrauch schwanken die Angaben zwischen 17 Kilogramm Getreide (Vegetarierbund Deutschland) und 1,7 Kilogramm Futter für ein Kilogramm Mast-huhn – laut deutschem Bundesagrarministerium, das im Übrigen ablehnt, An- gaben zum Getreideverbrauch für Rindfleischproduktion zu machen, weil der Grünlandanteil zu unterschiedlich ausfalle.
Und wenn man vom Fleisch auf Reis umstiege? Das Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg hat den Anteil des Nassreisanbaus am globalen Methan-Ausstoß erhoben: Die Rinderzucht verursacht demnach rund 20 Prozent des weltweiten Methan-Ausstoßes, der Reisanbau immerhin zehn Pro-zent. Na schau, sagen die Omnivoren. Immerhin halbiert, die Methan-Emissionen, sagen die Veganer.

 

Mehr lesen Sie in der neuen VORFREUDE.

  • Vegane Pizza ist leicht – vom Belag hängt es ab.
  • Kichererbsen, weiße Bohnen, Cumin – und schon ist der vegane Burger- Patty (fast) fertig.
  • Obst und Ge- müse – essen- ziell für vegane Ernährung.
  • Reis, Soja- bohnen, Mandeln – aus allem entsteht „so etwas wie Milch“.