Tief durchatmen
“Gesellschaft ist wie die Luft: Notwendig zum Atmen, aber nicht ausreichend, um davon zu leben.”
Ohne Luft gäbe es keine Menschheit, so viel ist klar. Nicht umsonst haben die alten Griechen unsere Lebensgrundlagen in den vier Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft zusammengefasst. Einig waren sich die griechischen Philosophen – die in der Antike auch für Fragen der Physik zuständig waren – nicht. Thales von Milet sah Wasser als das Urelement, Anaximenes hielt Luft für das Urelement, Heraklit sah im Feuer den Urstoff. Plato und Aristoteles philosophierten über die Wechselwirkungen der vier Elemente – der eine sah sie in einem Kreislauf verbunden, der andere als Gegensatzpaare. Und nie war es nur Physik, sondern immer auch Philosophie und Psychologie. Den Elementen wurden zum Beispiel Charaktereigenschaften zugeordnet; diese Vorstellungen prägten unter anderem die Medizin bis in die Zeit der Aufklärung.
Alles Leben ist Chemie
Der Begriff der Elemente, wie wir ihn heute kennen und verwenden, entwickelte sich ab ca. 1700 n. Chr., beginnend mit dem Naturforscher Robert Boyle. Zu-nächst noch selbst Alchimist, erarbeitete er auf der Basis von Experimenten die Grundlagen, die schließlich zum „Periodensystem der Elemente“ führten. Er zerlegte allerlei Materie und entwickelte den Begriff der „Analyse“, um den Dingen auf den Grund zu gehen und jene Bausteine der Natur zu bestimmen, die ihrerseits nicht mehr auf anderer Materie beruhen – was in etwa unserer heutigen Definition von Elementen entspricht.
Mit der Beschreibung eines der Experimente Boyles kommen wir zu unserem Thema zurück, zur Luft. Im Jahr 1660 zeigte er, dass eine Maus in einer geschlossenen Kammer im gleichen Moment stirbt, in dem eine Kerze in derselben Kammer erlischt. Dem Sauerstoff, der in diesem Experiment als Mangelware zum Tod führt, kam man allerdings erst rund hundert Jahre später auf die Spur.
Luft, zerlegt
Luft – als Element würde sie heute wohl niemand mehr bezeichnen, es sei denn im allegorischen Sinn. Zerlegen wir sie also, auch wenn wir sie weder sehen noch angreifen können. Die Forscher wissen, wie’s geht. Nüchtern wissenschaftlich betrachtet, ist Luft das Gasgemisch der Erdatmosphäre. Den Hauptanteil haben dabei Stickstoff mit rund 78 Prozent, Sauer-stoff mit rund 21 Prozent und Argon mit ca. einem Prozent. Andere Elemente kommen in Spuren vor. Die genannte – für uns lebenswichtige – Zusammensetzung wird von der Wissenschaft allerdings nicht als Konstante betrachtet, sondern ist in dieser Form erst seit 350 Millionen Jahren anzutreffen. In den Jahrmilliarden der Entwicklung der Erdatmosphäre entwickelte sich das aktuelle Gasgemisch über ständige, bisweilen grundlegende Veränderungen.
Wer nach Höherem strebt, wird interessant finden, dass die Zusammensetzung der Atmosphäre bis in eine Höhe von 100 Kilometern als Homosphäre gegeben ist. Würden wir ersticken in dieser Höhe, ohne Raumanzug? Ja schon, aber nicht wegen Luftmangels, sondern wegen der Druckverhältnisse, die es ja schon unseren Höhenbergsteigern erschweren, ohne Atemgerät der Welt aufs Dach zu steigen.
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