Nudeln – einfach gut
Bis ans Lebensende Ziegen hüten? Giuseppe Gregori wollte mehr vom Leben. Der unternehmerisch veranlagte Südtiroler Ziegenhirt handelte mit dem Käse, den er produzierte, mit Wein, mit Teigwaren – und 1882 eröffnete er die erste Nudelfabrik auf (damals) österreichischem Boden, in Bozen.
Das Geschäft ließ sich gut an, Gregori wurde k. u. k. Hoflieferant. Auf der Suche nach einem zweiten Standort setzte er sich kurzerhand in den Zug und entdeckte 1895 im Vorbeifahren in Finkenstein ein altes Hammerwerk mitsamt Wasserkraftanlage, das Gut Müllnern. Gesehen und gekauft, sozusagen schockverliebt. Die Idee, per Bahn zu suchen, war freilich logistisch vernünftig, vor allem in einer Zeit, als das Auto gerade erst erfunden wurde. Und der eigene Strom aus Wasserkraft machte die Finkensteiner Nudelfabrik damals wie heute zum nachhaltigen Musterbetrieb. Aktuell wird ein von der EU kofinanziertes Projekt verfolgt, die Energieeffizienz im gesamten Betrieb und die Lieferketten zu optimieren – sprich: sich auf schlanken Ökofuß zu stellen.
Was für den Standort außerdem sprach: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Karawankentunnel der Bahnstrecke St. Jakob im Rosental/Jesenice gebaut. Der weitaus größte Teil der Mineure bestand damals aus Italienern, auf fünf Jahre Bauzeit gab es sozusagen garantierten lokalen Pastabedarf. Genug, um den Standort zu etablieren und nach einer Weile auch die Produktion in Bozen aufzugeben.
Giuseppe Gregori schrieb 1909 in einem Brief an potenzielle Abnehmer, dass er „sämtliche Teigwaren wie Suppen- und Schmelznudel, Hausmachernudel, geriebenes Eiergerstl, Maccaroni u. dergl. unter der Marke Finkensteiner Eiernudel“ in den Handel bringe.
Und selbstbewusst weiter: „Die günstige zentrale Lage an dem größten alpenländischen Eisenbahnmittelpunkte ermöglicht es mir, der auswärtigen, fremdländischen Konkurrenz durch bessere Qualität und billige Preise bei prompter Bedienung begegnen zu können.“ Dieses Ziel wurde mit bis zu 67 Mitarbeitern am Standort Müllnern erreicht – machen wir nun einen Zeitsprung: Heute sind es zehn Beschäftigte, die rund neunzig verschiedene Teigwaren herstellen. 2013 übernahm Katharina Gregori in fünfter Generation den Familienbetrieb, als erste Frau, die von Anfang an und nicht als Witwe die Geschicke der Finkensteiner Nudelfabrik leitet. „Ich bin da hineingewachsen, es war immer klar, dass ich übernehmen würde.“ Sie lernte nicht nur die Nudelproduktion von der Pike auf, sondern steht auch als Unternehmerin ihre Frau, per „training on the job“ erfolgreich.
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