Lust auf klare Gedanken
Banal – oder doch nicht? Philosophische Aussagen haben es gern an sich, dass sie auf den ersten Blick zum Gähnen reizen. „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“ Aha. Na gut – Pech gehabt, hättest ja lernen können, Freund Sokrates. „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen, und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“ – Stellt Ludwig Wittgenstein in seinem „Tractatus logico-philosophicus“ fest. Plato und Aristoteles, zwei Säulen- heilige der abendländischen Philosophie, sehen im Staunen eine Wurzel des Philosophierens. Erlauben wir uns also ein Innehalten und ein Staunen über den schein- baren Mangel an Tiefgang in manchen Philosophen-Zitaten? Lassen wir uns provozieren, nach dem ersten Kopfschütteln einen zweiten Gedanken zu riskieren? Dann stehen wir auch schon mittendrin im Philosophieren. Am Anfang des „philosophischen Dialogs“ sozusagen.
„Es gibt viele Wege zum Glück. Einer davon ist, aufzuhören mit dem Jammern.“
„Die wahre Medizin des Geistes
ist die Philosophie.“
„Jeder baut dabei auf den Gedanken des anderen auf, man prüft gemeinsam die vorgebrachten Argumente und kommt so gemeinsam zu einer neuen Erkenntnis.“ So beschreibt Daniela Camhy aus Graz Idee und Praxis des „Philosophierens mit Kindern“, das sie während ihrer Ausbildung in den USA bei Matthew Lipman kennengelernt und dem sie seit 1985 Raum in Österreich verschafft hat. Mehr als 20.000 Lehrer nahmen schon an Fortbildungsmaßnahmen ihres Instituts für Kinder- und Jugendphilosophie teil. „Bereits in jungen Jahren zu lernen, logisch Schlüsse zu ziehen, zu argumentieren, Gedanken zu klären und sich präzise auszudrücken, beeinflusst nicht nur das Denken, sondern auch das Sozialverhalten. Es entwickelt sich eine sehr gute Dialogkultur.“
Damit ist schon viel darüber gesagt, was Philosophieren leisten kann – und Achtung: Hier ist nicht die Rede davon, was Philosophie als solche bewirkt, sondern es geht ums Philosophieren als Tun. Um erlernbare Fertigkeiten und Grundhaltungen im Umgang mit der Welt und allem, was man über sie sagen kann. Um die Lust am Dazulernen (dafür bietet die Philosophie ein Terrain ohne Ende) und um das Vergnügen, aus These und Antithese (frei nach Hegel) neue Horizonte zu entwickeln.
Philosophie gewinnt an Popularität dazu. Die „Sternstunde Philosophie“, der philosophische Stammtisch des Schweizer Fernsehens, hat dank 3sat und Videoclips aus der „Tube“ ein Millionenpublikum im deutschen Sprachraum erworben. Mit Richard David Precht hat ein zeitgenössischer Philosoph nahezu Kultstatus erlangt – nicht nur wegen seiner provokanten Thesen (z. B.: „Bedingungsloses Grundeinkommen“), sondern auch wegen seiner Bücher und TV-Sendungen, die allesamt versuchen, dem Philosophieren seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu verschaffen. Oder Beispiel Österreich: Robert Pfaller, der die Bühne des Wiener Rabenhoftheaters für die Vermittlung von Philosophie erobert hat, als kabarettistische Show, die zum Beispiel Karl Marx in den Mittelpunkt stellt – Rahmenthema: „Meilensteine der Philosopie – die großen Knaller zu Gast bei Pfaller“.
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