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Krimiland Österreich

„Schon wieder ist etwas passiert!“ So lässt Erfolgsautor Wolf Haas gern seine Brenner-Krimis beginnen. Und schon sind wir mitten im Herzen des Genres „Krimi“ gelandet. Es muss etwas passieren. Und „passieren“ ist nicht bedeutungsgleich mit „geschehen“.
Passieren lässt nicht kalt. Ist nahe an der Gänsehaut angesiedelt. Weil ... es kann immer etwas passieren. Man weiß ja nie!
Jakob Ehrhardt

Als in den späten 1970ern die Regionalisierung des ORF vorangetrieben wurde, wollte man per Studie herausfinden, was die Österreicher denn am liebsten sähen in den Sendungen aus den Bundesländern. Mit Abstand an der Spitze damals: Berichte über Unfälle und Verbrechen. Dicht gefolgt von volkstümlicher Musik. Die dunklen und die hellen Seiten des Lebens.
Die Regionalisierung hielt damals auf vielen Ebenen Einzug. Österreich als Nation hatte sich im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts einigermaßen gefunden, man konnte sich also entspannt den regionalen Unterschieden zuwenden. Europa wollte sich als „Europa der Regionen“ neu erfinden, um der nationalstaatlichen Enge zu entkommen. In Deutschland erfand die ARD die Krimireihe „Tatort“, Erstausstrahlung 1970. Seither gehören regional verschiedene Handlungsorte zu den Protagonisten der Serie. Österreich war mit Wien von Anfang an dabei, Fritz Eckhardt grantelte als Oberinspektor Marek durch 17 Folgen und verfasste zugleich die Drehbücher für seine Fälle. Die Liste der österreichischen Tatort-Autoren liest sich wie ein Who’s who österreichischer Gegenwartsliteratur: Felix Mitterer mit zwölf Folgen, Michael Kehlmann und Carl Merz mit drei Folgen, Ernst Hinterberger, Wolfgang Murnberger, Alfred Paul Schmidt, Leo Frank und Xao Seffcheque ergänzen den Reigen.

Antihelden als Kult­figuren

Helmut Zenker und Peter Patzak brachten es mit ihrem Kottan zu Kultstatus, ließen zwischen 1976 und 1983 drei Schauspieler in der Titelrolle aufgehen (Peter Vogel, Franz Buchrieser und Lukas Resetarits, alle drei mit Bibiana Zeller als Ehefrau Ilse) und brachten es zu parlamentarischen Anfragen, als „Kottans Kapelle“ aber auch zu Spitzenplätzen in den Charts. Hansi Krankls Karriere als Sänger ist eng mit Kottan verbunden („Rostige Flügel“, „Lonely Boy“).
Alfred Komareks „Polt“, der von Erwin Steinhauer verkörperte entschleunigte Landgendarm im Weinviertel, lässt das kriminelle Geschehen in den Hintergrund treten, die feine Charakterisierung von Land und Leuten macht den Reiz dieser literarischen Miniaturen aus: sechs Filme und sieben Bücher.
Von Thomas Raabs „Metzger“ (Robert Palfrader) wäre zu berichten, von Stefan Slupetzkys „Lemming“ (Fritz Karl), beides Serienermittler, die ebenso lesens- wie in ihren TV-Filmen sehenswert sind. Um das „Krimiland Österreich“ auch nur annähernd repräsentativ zu schildern, reicht der Platz nicht aus. Allein die AIEP Austria, die Vereinigung der österreichischen Krimischriftsteller, zählt über 100 Mitglieder. Auf ihrer Plattform krimiautoren.at werden laufend Neuerscheinungen präsentiert, ergänzt durch Essays zur österreichischen Kriminalliteratur.

Und wir wissen heute noch nicht, ob sich unter all den Neuerscheinungen der Bestsellerautor kommender Jahre verbirgt. Der Tiroler Bernhard Aichner, der mit den ersten beiden Teilen seiner Blum-Trilogie bereits 300.000 Exemplare verkauft hat und in 16 Sprachen übersetzt wurde, betont im Interview mit orf.at, dass dieser Erfolg „keineswegs über Nacht gekommen ist.“ Fünf vorangegangene Bücher waren praktisch erfolglos geblieben: ein „Fulltime-Job mit 15 Jahren harter Arbeit. Jeden Abend schreiben, am Wochenende schreiben, im Urlaub schreiben, ,einebuckeln‘, wie der Tiroler sagt.“ Das ginge nur mit Fleiß und extremer Leidenschaft.

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