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Im Spiegel unserer Handschrift

Handschrift als Ritual: Wenn Donald Trump sich als Entscheider präsentiert, dann zeigt er sich gern beim Unterschreiben eines Dokumentes – mit fetter Strichstärke und deutlich größer als alles andere, das in der Nähe des Schriftzugs zu erkennen ist. Da wird nichts hastig hingefetzt; im Bewusstsein seiner Stellung scheint der mächtigste Donald aller Zeiten jeden Auf- und Abstrich zu enießen.
Jakob Ehrhardt

Grafologen deuten Donald Trumps Unterschrift denn auch gern als Ausdruck eines unbändigen Macht- und Durchsetzungsstrebens – das geht zackig von oben nach unten, als würde jemand auf den Tisch hauen. Da gibt es keine verbindlichen Horizontalen, das sticht ins Auge, in jedem Wortsinn. Auf Social Media finden sich weniger schmeichelhafte Deutungen – als Ergebnis eines Lügendetektor-Tests, als EKG-Aufzeichnungen von Kammerflimmern oder als Frequenzausschläge kreischender Dämonen.

Für viele ein wertvoller Schatz: die Sammlung der Liebesbriefe von früher.

Was sagt unsere Handschrift tatsächlich über uns aus? Das Metier der Grafologie ist höchst umstritten – während es die einen als Teildisziplin der Psychologie in die Nähe von Wissenschaft rücken, stellen es andere auf eine Stufe mit astrologischen Persönlichkeitsdeutungen. Sowohl Gegner als auch Befürworter berufen sich auf empirische Studien, wobei die Mehrzahl der Autoren zum Schluss kommt, dass sich der Zusammenhang zwischen Merkmalen der Handschrift und Persönlichkeitsmerkmalen wissenschaftlich nicht belegen lässt – so Wikipedia.

Die Befürworter der Grafologie halten ihren Kritikern entgegen, dass deren Studienansätze für die Beurteilung psycho-diagnostischer Methoden nicht geeignet seien, und verweisen ihrerseits auf Untersuchungen, die der Qualität von Grafologie ein positives Zeugnis ausstellen. Das persönliche Schriftbild als Einstellungskriterium von Unternehmen? Der berüchtigte handschriftliche Lebenslauf? In Deutschland geben nur 2,4 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie Grafologen zurate ziehen.

Aber wie oft schreiben wir eigentlich noch mit der Hand? Die Unterschrift, freilich. Dann vielleicht noch einen Einkaufszettel – aber längere schriftliche Mitteilungen? Im Alltag ist die Handschrift auf eine Fingerschrift reduziert. Auf ein bis zwei Finger für diverse Tipp- und Wischtechniken am Smartphone – das muss reichen für die Kommunikation, das genügt, um Beziehungen zu beginnen und zu beenden, das bewegt Millionen und macht Weltpolitik: Wenn Trump keinen präsidialen Erlass unterschreibt, tweetet er.

Das Tagebuch: Nicht nur Schatztruhe der Erinnerungen, sondern auch tägliche Übung der Handschrift

Etwas aufwendiger ist das Schreiben per Computertastatur – je nach Übung des Schreibenden mit zwei Fingern in die Tasten gehackt oder nahezu in Sprechgeschwindigkeit mit zehn Fingern an die Maschine übermittelt.

Und dann sitzen wir vor einem leeren Bogen und wollen gern etwas Persönliches zu Papier bringen. Vom Liebesbrief über die Ansichtskarte bis zur Beileidsbekundung gehört es immer noch zum guten Stil, derlei handschriftlich auszudrücken. Und wir bemerken (Ausnahmen bestätigen die Regel), wie ungelenk unsere Bewegungen geworden sind. Wie sehr wir es verlernt haben, zügig und mit eleganter Selbstverständlichkeit mit der Hand zu schreiben.

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