Kulinarik Leben

Fleisch war gestern

Vegetartisch oder vegan zum neuen Körperbewusstsein.
Text: Andreas Prammer

Nichts ist mächtiger als eine Idee deren Zeit gekommen ist“, hat Victor Hugo einmal gesagt. Dies scheint speziell zu gelten, wenn es um fleischlose oder gar vegane Ernährung geht. Ein regelrechter Boom ist in den letzten zehn Jahren aus Amerika nach Europa geschwappt und verändert nachhaltig unsere Esskultur.

Unsere Ernährung hat sich in Zeiten wie diesen auch zur Glaubensfrage entwickelt. Eingefleischten Veganern kommt nichts Tierisches auf den Teller – auch kein Käse oder Honig. Kann das noch gesund sein? Die Mythen, die sich um vegetarische oder vegane Ernährung ranken, sind so mannigfaltig, wie die pflanzliche Ernährung selbst. Viele Menschen schwören, laut eigenen Aussagen mittlerweile auf ausschließlich pflanzliches Essen und fühlen sich pudel wohl. Die Agentur für Ernährung und Lebensmittelsicherheit (AGES) warnte schon vor einigen Jahren vor Mangelerscheinungen bei zu einseitiger Ernährung. Eiweiß, Eisen sowie diverse Vitamine und Mineralstoffe sollten bewusst zu sich genommen werden. Der allgemeine Tenor der Ernährungsexperten und Ärzte lautet, unbedingt darauf zu achten etwaige Mängel durch gezielte sowie ergänzende Ernährung und ausgewogenem Essen auszugleichen. Ernährungsstile sind eng mit Lebensstilen verbunden. Das Konsumverhalten einer wachsenden Zahl von Menschen ist aber nicht

nur auf Genuss oder Gesundheit ausgerichtet,  sondern zunehmend auch werteorientiert. Bei vegetarischer und veganer Ernährung spielen diese Aspekte eine sehr große Rolle und bringen nicht zuletzt über Social Media Kanäle, die Veggie – Gemeinschaft dazu, ihr Leben umzustellen.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

In Zeiten eines vegetarisch-veganen Rausches, in dem sich mittlerweile auch die großen Supermarktketten befinden, gilt es mit gebotener Objektivität an die Sache heranzugehen. Der Mensch lässt sich natürlich auch hier beim Kauf von seinen Emotionen leiten. Das schlechte Gewissen, dass man als gebildeter, politisch korrekter und weltoffener Mensch oftmals empfindet, weil die Fleischproduktion überdimensional viele Ressourcen verschlingt und wir als Mensch gegenüber den Tieren eine ethische Verpflichtung haben, gilt als treibender Kaufimpuls.

Eine Untersuchung der University of North Carolina stellte fest, dass jede zweite Frau, die jemals eine Essstörung hatte, sich irgendwann im Leben vegetarisch ernährt hat, und jede Vierte zum Zeitpunkt der Essstörung Vegetarierin war. „Obwohl der Zusammenhang keinen Aufschluss über Ursache und Wirkung gibt, kann ein Hinterfragen der Motivation durchaus sinnvoll sein, um eine mögliche Essstörung frühzeitig zu erkennen,” ist Gruber überzeugt.

Die Mehrheit isst konservativ

Während früher die gleichen Werte und der gleiche Ess-Stil ein Leben lang verfolgt wurden, sind sie heute einem Wandel unterworfen. So wechseln in Österreich acht von zehn Vegetariern irgendwann wieder zur Mischkost. Denn bei all den Hypes rund um einzelne Richtungen darf man nicht vergessen, dass die meisten Menschen beim Essen klassisch wählen. „Das Essverhalten ist in der Regel konservativ, und dass das tendenziell – in Relation zur körperlichen Aktivität – zu viel, zu fett, zu süß

und zu salzig ist, wird voraussichtlich auch der nächste Österreichische Ernährungsbericht zeigen“, berichtet die Ernährungsexpertin. Dennoch können einzelne Ernährungstrends langfristig Breitenwirksamkeit erlangen. Das Beispiel „Veggie“ zeigt, dass sich 2015 gerade einmal fünf  Prozent der Befragten als Veganer oder Vegetarier bezeichnet haben, 16 Prozent als Flexitarier und 79 Prozent als Fleischesser. Zwischen 2014 und 2015 wurden zwei Prozent der Fleischtiger zu sogenannten Flexitariern, die wenig beziehungsweise selektiv Fleisch essen.

Das macht sich mittlerweile auch im Handel bemerkbar. Mengenmäßig wurden im ersten Halbjahr 2016 in Österreich um 2,8 Prozent weniger Fleisch im Lebensmitteleinzelhandel verkauft. Resümierend bleibt zu sagen: Vegetarische und vegane Ernährung können sehr schmackhaft, kreativ, gesund und nachhaltig sein, wenn man als Konsument gewisse Rahmenbedingungen beachtet und bewusst an die Sache herangeht. Speziell bei Kindern und in der Schwangerschaft sollte bedacht werden, dass der Körper mehr spezifische Nährstoffe benötigt.