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Die Welt hinter der Maske

Sandra Wobrazek

Masken sind seit jeher Teil der menschlichen Kulturgeschichte. Im antiken Theater waren sie Ausdrucksmittel von Emotionen, im Mittelalter sollten sie vor der Pest schützen und über alle Jahrhunderte, Kontinente und Kulturen hinweg waren sie wichtiges Accessoire bei Karnevalsumzügen oder rituellen Feiern.

Sie wird bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Shopping oder einem Theaterbesuch getragen. Kinder setzen sie in der Schule auf, Erwachsene, wenn sie arbeiten, einkaufen oder reisen. Für die einen stehen Masken für den Schutz der eigenen Gesundheit, für die anderen für einen staatlich auferlegten Zwang. Doch so oder so gilt: Die medizinische Maske ist seit geraumer Zeit zu einem unserer wichtigsten Alltagsbegleiter geworden.
Das ist die eine, die zeitgenössische Seite des Stückchens Stoff, das die Welt seit dem Frühjahr 2020 im wahrsten Sinn des Wortes in Atem hält. Die andere ist eine weit ältere, eine weit umfassendere. Denn in der Menschheits- und Kulturgeschichte spielen Masken seit jeher eine relevante Rolle. Sie wurden und werden bei religiösen Zeremonien und traditionellen Umzügen ebenso eingesetzt wie als erotisches Accessoire. Auch dienen sie der Verkleidung in Theater, Film und Fernsehen und verschaffen ihren Trägern eine andere Identität, eine Auszeit vom Alltag oder eine symbolische Bedeutung. Wusste dereinst doch schon der große deutsche Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe: „Verstellung sagt man, sei ein großes Laster. Doch von Verstellung leben wir.“
Bis heute sollen Masken Emotionen ausdrücken, böse Geister verjagen oder eine Geschichte erzählen. Im italienischen Stegreiftheater des 16. Jahrhunderts zum Beispiel wurde der liebestolle und vorwitzige Harlekin („Arlecchino“) mit einer überlangen Nase dargestellt.
Auch in der Popkultur fanden sie Eingang – gleich, ob als die Identität schützende Maskierung bekannter Comic-Superhelden oder als (modisches) Statement von Rappern.

Eine der bekanntesten Maskenparaden der Welt ist der Karneval von Venedig. Alljährlich zwischen Mitte Februar und Anfang März treffen sich in der Serenissima, der „Durchlauchtigsten“, täglich bis zu 130.000 Einheimische und Touristen aus aller Welt, um den Glanz längst vergangener Zeiten für einige Tage aufleben zu lassen. Denn schon im Mittelalter liebten es die Menschen, mit prunkvollen Masken ihre Gesichter zu bedecken und dadurch ihre Anonymität bei ausschweifenden Bällen zu wahren. Auch Giacomo Casanova, der legendäre Frauenheld, besuchte seine Gespielinnen bevorzugt mit Maske, um unerkannt in deren Palazzi zu treten und diese auch wieder verlassen zu können.
Die ältesten bekannten Masken der Kunstgeschichte sind übrigens 11.000 Jahre alt, aus Stein gehauen und stammen aus Israel. Dabei waren die Menschen bei der Wahl der Stoffe, aus denen Maskenträume sind, immer schon kreativ, so kamen neben Holz, Stein und Stoff auch Metall oder Federn zum Einsatz. Das prachtvollste Exemplar ist und bleibt die Totenmaske des altägyptischen Königs Tutanchamun aus der 18. Dynastie: Sie ist zu großen Teilen aus Gold und Lapislazuli gefertigt und wiegt zwölf Kilogramm. Schlussendlich sollte aber bei allen Masken und ihren Trägern ein altes chinesisches Sprichwort gelten: „Sieh nicht auf die goldene Maske, sondern auf das Gesicht des Buddha dahinter.“

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