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Die Kunst, bei sich zu bleiben

„Bleib in deinem Zimmer sitzen. Es darf alles sein. Es darf alles in dir hochkommen. Du musst nicht fromm sein, nicht perfekt sein. Nur halte es aus mit dir. Bleib bei dir!“
Jakob Ehrhardt

So beginnt der Benediktinermönch Anselm Grün sein Buch über „Die Kunst, bei sich zu bleiben“. Es geht ihm darum, was wir „von weisen Mönchen lernen können“. Das einleitende Zitat beruft sich auf die sogenannten „Wüstenväter“ aus dem 3. Jahrhundert – und es ist aktueller denn je. Nicht nur weil Corona uns unversehens dazu zwingen könnte, in Quarantäne und selbstgewählter Isolation „bei uns zu bleiben“. Der Psychotherapeut Eric Berne, Urheber der Transaktionsanalyse, sieht im individuellen Umgang mit Zeit eine grundlegende Herausforderung – „Was sagen Sie, nachdem Sie guten Tag gesagt haben?“ hat er einen seiner Bestseller betitelt. Berne beschreibt sechs Grundmodelle, nach denen Menschen ihre Zeit strukturieren. Kurz zusammengefasst:

 

Rückzug. Also vielleicht das, was die Kunst, bei sich zu bleiben, meint.

Rituale. Interaktionen, die nach vertrauten, verlässlichen Mustern ablaufen.

Zeitvertreib. Belangloses Tun, damit die Zeit vergeht. „Zeit totschlagen“ im Extremfall.

Aktivitäten. Arbeit, gemeinsames Tun, in sinnvolle Kontexte eingebettet.

Spiele. Kommunikationsmuster, die von verborgenen Motiven geleitet sind; siehe Bernes „Spiele der Erwachsenen“.

Intimität. Die offene, echt zwischenmenschliche Begegnung.

 

Leicht zu sehen: Fünf dieser sechs typischen Formen, mit Zeit umzugehen, sind mit der „Kunst, bei sich zu bleiben“ schwer zu vereinen. Das war wohl zu Zeiten der ersten Mönche auch nicht anders, schließlich gingen sie in die Wüste, um all den Ablenkungen – „Dämonen“ nannten sie das – zu entgehen.

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Klösterliche Einsiedelei in Georgien.
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