Es war eine der längsten Erhaltungsarbeiten der Kunstgeschichte. 17 Jahre lang arbeitete Pinin Brambilla Barcilon an einem der bekanntesten Wandgemälde der Welt: Leonardo da Vincis Abendmahl. Damit verbrachte die italienische Restauratorin weit mehr Zeit im Refektorium des Mailänder Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie als der Meister selbst: „Nur“ vier Jahre lang brauchte da Vinci für jenes Werk, das als Höhepunkt seines Schaffens gilt.
Auch Paul-Bernhard Eipper hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kunst für die Nachwelt zu erhalten: Er leitet die Restaurierungsabteilung des steirischen Universalmuseums Joanneum. Gemeinsam mit seinen Kollegen kümmert sich der Spezialist für Oberflächenreinigung um Gemälde, Skulpturen oder Altarbilder. Die Experten geben den kunsthistorischen Zeugnissen ihr ursprüngliches Aussehen wieder, um sie in einem der Häuser des Joanneums dem Publikum präsentieren zu können.
Die Arbeit der akademisch ausgebildeten Restauratoren ist immer dann gefragt, wenn Holzwurm oder Schimmelpilz zugeschlagen haben, es Wasserschäden gibt oder Farben vergilbt sind. Die Fachleute reinigen nach intensiven Untersuchungen – etwa mit UV-Licht – Oberflächen mit belebtem Wasser und nicht ionischen Tensiden sowie mikroporösen Schwämmen, setzen Champagnerkreide ein, retuschieren mit Aquarellfarben, Trockenpigmenten oder Gouache. Dabei müssen sie nicht nur in die Vergangenheit blicken, um ein Kunstwerk verstehen zu können, sondern auch zukünftige Entwicklungen einplanen, wie der Experte erklärt: etwa indem man hinterfragt, ob ein verwendetes Konservierungsmittel ein Gemälde vielleicht in 100 Jahren schädigen könnte. Paul-Bernhard Eipper erläutert, dass es hauptsächlich drei Schadensklassifizierungen gibt: material- und maltechnische Fehler des Künstlers, Aufbewahrungs- oder Transportschäden. Zahlreiche Defekte würden aber nicht zwingend sofort erkannt, „weil es sich um schleichen- de Schäden, wie etwa Vergilben, handelt. So war das Papier der Schiele-Zeichnungen früher viel heller und ist durch zu viel Lichteinfall und Versäuerung braun wie Packpapier geworden. Die Büttenpapiere von Rembrandt hingegen sind von der Materialität her so stabil, dass unter normalen Lagerungsbedingungen relativ wenig passieren kann.“
Dabei ist die Arbeit der Restauratoren ein Abwägen zwischen dem, was nötig ist, und dem Wunsch, die Authentizität des Kunstwerkes zu erhalten. Denn wenn man glaubt, dass man alles neu machen muss, nimmt man dem Objekt seine Geschichte: „Man soll auch akzeptieren, dass manche Dinge – auch wenn technisch machbar – ästhetisch und ethisch nicht vertretbar sind. Viele Kunstwerke sind früher auf der Strecke geblieben, weil man sie rüde mit Salmiak abgewaschen, gebügelt oder mit Wachs doubliert hat.“ Zum Beispiel hat Paul-Bernhard Eippers Kunstprofessor Gemälde noch mit Handwaschmittel geputzt. Er selbst würde lieber zurückhaltender handeln und habe in der Branche deshalb den Ruf eines „Homöopathen“. Den Restauratoren würden moderne Kunstwerke – aufgrund der mit- unter verwendeten Materialen wie Latex, Eier, Schokolade, Salamischeiben oder Exkremente – übrigens größere Probleme als ein mehrere Hundert Jahre altes Kunstwerk machen, denn sie „sind selten für die Ewigkeit gemacht“.
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