Leben Spiritualität

Baden wie in 1001 Nacht

Im Orient, wo Wasser eine rare Kostbarkeit war, wurde es ganz besonders geschätzt. Dort hat sich die jahrtausendealte Hamam-Kultur entwickelt: Mit warmem Dampf, duftender Seife und viel Schaum würden Körper, Geist und Seele reingewaschen, heißt es. Ein Ritual, das heute auch in unseren Breiten immer mehr Anhänger findet.
Claudia Piller-Kornherr

Deine Stadt ist erst eine vollkommene Stadt, wenn es in ihr ein Bad gibt“, lässt der Erzähler im orientalischen Märchen von Abu Kir und Abu Sir den Abu Sir zum König sagen, um ihn davon zu überzeugen, in der fremden Stadt ein traditionelles Bad – einen Hamam – zu erbauen. Und der Dichter Homer beschreibt 700 v. Chr. in seiner „Odyssee“, wie Telemachos, der Sohn des Odysseus, auf der Suche nach seinem Vater am Hof von Nestor in den Genuss eines duftenden Bades kommt.

 

Doch den Telemachos badet indes Polykaste, die Schöne, Als die jüngste Tochter des Nestor, Sohnes des Neleus. Als sie ihn nun gebadet und eingerieben mit Salböl, Warf sie ihm um einen schönen Mantel und Leibrock, Und aus der Wanne stieg er darauf, den Unsterblichen ähnlich.

 

Homer

Förmlich riecht man Patchouli und Rosenöl in Homers Zeilen und freut sich mit Telemachos, wenn er wie neugeboren dem Bade entsteigt. Die aufmerksame Zuwendung, das kostbare Öl und die frischen Gewänder lassen keinen Zweifel daran, welch hohen Stellenwert das Baderitual als Ausdruck der Gastfreundschaft hatte.

 

 

Prachtvoller Badetempel: Der historische Ali Gholi Agha Hamam in Esfahan, Iran.

Baden wie vor tausend Jahren

Das Wort Hamam leitet sich aus dem Arabischen her und bedeutet so viel wie erhitzen oder heiß werden lassen. In Bädern spielte sich im arabisch-islamischen Mittelalter ein Großteil des öffentlichen und privaten Lebens ab – natürlich streng getrennt nach Männlein und Weiblein. In den Hamam ging man, wenn man von der Reise kam oder wenn man von Krankheit wieder genesen war. Im Hamam feierte der Bräutigam mit seinen Freunden und die Braut mit ihren Freundinnen und den Frauen der beiden Familien die Hochzeit. Der Hamam war Treffpunkt, um Neuigkeiten auszutauschen und Geschäfte abzuwickeln. Mütter sollen dort Ausschau nach hübschen Bräuten für ihre Söhne gehalten haben – ähnlich verhielt es sich wohl bei den Männern. Aufgrund des strengen Reinlichkeitsgebots im Islam wurden Hamams häufig als Nebengebäude an Moscheen angebaut, wo um sie herum ganze Stadtviertel entstanden. Aufgrund der Beliebtheit solcher Bäder wurden später auch private Bäder in Palästen oder großen Privathäusern errichtet.

Mit dem „Kese“, einem Waschlappen aus Wildseide, wird der Badegast in einen luftigen Mantel aus Schaum gehüllt.

Das Ritual beim Besuch eines Hamams hat sich seit den Anfängen kaum verändert. Bekleidet mit einem Pestemal, einem traditionellen Handtuch, und ausgerüstet mit einer türkischen Naturseife aus Olivenöl und einer Messingschale, der Tas, geht es unter die Dusche, um den Alltagsstaub von der Haut zu spülen. Danach folgt eine Ruhepause auf einem warmen Bauchstein. Im Hararet, dem Dampfzimmer, legt sich der Badegast auf einen Waschtisch aus Marmor. Umsorgt vom Telak, dem Hamam-Meister oder der Hamam-Meisterin, gibt man sich nun ganz dem Geschehen hin und wird aus der Tas abwechselnd mit warmem und kaltem Wasser begossen. Mit dem Kese – einem Waschlappen aus Wildseide – rubbelt der Telak die Haut, bis man buchstäblich in einer duftenden Wolke aus Seifenschaum verschwindet. Das „Aufblasen“ des Seifenschaums gilt übrigens als hohe Kunst. Nach dem Ganzkörper-Peeling fühlt sich die Haut glatt und geschmeidig an. Den Abschluss bildet meist eine mitunter anstrengende, aber wohltuende Hamam- Massage. Nach dem schweißtreibenden Ritual schmeckt ein Glas Cay, der traditionelle schwarze Tee, oder Ayran, ein salziges Joghurtgetränk, zum Ausgleichen des Flüssigkeitsverlustes.

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