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Auf dem Gipfel des Glücks

Happy per Verfassung
Claudia Piller-Kornherr

Es klingt wie aus einem Märchen: Ein Land tritt an mit dem erklärten Ziel, seine Bürger glücklich zu machen. Im kleinen Himalayastaat Bhutan verfolgt man diese Vision mit buddhistischer Gelassenheit und wissenschaftlichem Eifer.

Ein Landeanflug auf Paro ist Nichts für Ängstliche. Der einzige internationale Flughafen Bhutans liegt auf einer Seehöhe von 2236 Metern, in einem bewaldeten, engen Tal inmitten des Himalayagebirges. Hier ein Flugzeug zu landen ist weltweit nur einer Handvoll speziell ausgebildeter Piloten vorbehalten – zu gefährlich ist das Navigieren durch die schmale, unübersichtliche Einflugschneise entlang von Baumspitzen und schroffen Bergkanten. Man erzählt sich in Bhutan, bei einem Staatsbesuch des jungen, britischen Thronfolgers Prinz Charles hätten selbst die Piloten der Royal Airforce nach einigen erfolglosen Landeversuchen wieder abgedreht –
schließen hätten die bhutanesischen Kollegen den Prinzen eingeflogen. Einmal sicher in Bhutan gelandet, wird man vom jungen Königspaar freundlich empfangen – zumindest in Form eines lebensgroßen Bildes der Beiden an der Außenmauer des Flughafengebäudes. Daneben ist in riesigen Lettern zu lesen: „Happiness is a place“ – „Glück ist ein Ort“. Deutlich ist spürbar: Man ist hier an einem ganz besonderen Ort angekommen. Bei der Willkommensbotschaft handelt es sich keineswegs um den Slogan der örtlichen Tourismusbehörde. Vielmehr verkörpern die Worte so etwas wie das Mantra des kleinen Königreichs, das von seinen Einwohnern Druk Yul, das Reich des Donnerdrachens, genannt wird.

Glück ist hier nämlich Staatsziel – und das ganz offiziell. Seit 2008 ist das Wohlbefinden der Bürger sogar in der Verfassung Bhutans festgeschrieben. Bei der Willkommensbotschaft handelt es sich keineswegs um den Slogan der örtlichen Tourismusbehörde. Vielmehr verkörpern die Worte so etwas wie das Mantra des kleinen Königreichs, das von seinen Einwohnern Druk Yul, das Reich des Donnerdrachens, genannt wird. Glück ist hier nämlich Staatsziel – und das ganz offiziell. Seit 2008 ist das Wohlbefinden der Bürger sogar in der Verfassung Bhutans festgeschrieben.

Mission Bruttonationalglück
Um zu verstehen, wie es das Glück in den Verfassungsrang schaffte, ist ein Blick in die Vergangenheit des Himalayastaates von Nöten: Zu Beginn der Siebziger Jahren bestieg der sogenannte Vierte König Bhutans Jigme Singye Wangchuck mit nur 17 Jahren den Thron. Gleich zu Beginn seiner Regentschaft bereiste der umtriebige junge Herrscher das ganze Land – Bhutan ist etwa so groß wie die Schweiz – um zu sehen, wie die Menschen in seinem Königreich lebten, erkundigte er sich ausführlich nach ihren Wünschen und Träumen. Wenig überraschend lautete die Antwort beinahe immer: Wir wollen glücklich sein.

Aus dem intensiven Dialog mit der Bevölkerung zog der ambitionierte Regent eine richtungsweisende Schlussfolgerung: Materiell gut versorgt zu sein, sagt nichts darüber aus, ob jemand in Einklang mit der Umwelt und in Harmonie mit der Gemeinschaft lebt – und rein gar nichts darüber, ob er oder sie ein glücklicher Mensch ist.

Jigme Singye Wangchuck wurde bewusst, dass grenzenloses
Wirtschaftswachstum mit den beschränkten Ressourcen unserer Erde und den Bedürfnissen ihrer Menschen nicht in Einklang zu bringen waren. Zu viele Nationen, insbesondere Entwicklungsländer, hatten bereits ihre Kultur, ihre Werte, Souveränität und Umwelt dem uferlosen Kapitalismus geopfert. Der König beschloss, es in seinem Land besser zu machen. „Bruttonationalglück ist wichtiger als Bruttoinlandsprodukt“, lautet daher die Parole, die er ausgab – Glück wurde fortan zur Chefsache.

Wie man in Bhutan den Weg zum Glück sucht, lesen Sie in der aktuellen VORFREUDE.